Kateřina Tučková
Worin besteht Ihre persönliche Motivation, sich für die deutsch-tschechischen Beziehungen zu engagieren?
Die Quelle dieser Motivation ist der Ort, an dem ich lebe – die Brünner Bronx, wie er mitunter genannt wird, oder die Brünner Sudeten. Die Spuren der Vergangenheit sind hier noch sichtbar, an den Häuserfassaden finden sich zum Beispiel noch deutsche Aufschriften von vor dem Krieg. Durch sie begann ich, mich für die lokale Geschichte zu interessieren und mir wurde so die frühere ethnische wie religiöse Vielfalt bewusst. Und ich habe herausgefunden, dass dort, wo ich jetzt wohne, einst eine deutsche Brünnerin lebte, die mit einundzwanzig Jahren mit ihrem sechs Monate alten Kind der berüchtigten Vertreibung zum Opfer fallen sollte. Das war im Mai 1945, und sie hatte großes Glück, das sie zu Zwangsarbeiten bei der Ernte eingesetzt wurde und nicht in einem Massengrab bei Pohořelice endete. Viele andere hatten nicht so viel Glück. Das Schicksal dieser Frau bzw. die Ungerechtigkeit, dass sie als junge Mutter für einen großen historischen Konflikt bezahlen musste, an dessen Peripetien sie in keinster Weise beteiligt war, ließ mich über Fragen von Schuld und Vergeltung nachdenken, die ich dann in meinem Roman Vyhnání Gerty Schnirch [Die Vertreibung der Gerta Schnirch] verarbeitet habe. Seitdem betrachte ich die Frage der deutsch-tschechischen Beziehungen als meine eigene und bemühe mich, zur Versöhnung und zur Wiederherstellung des vor allem bei der älteren Generation, den Zeitzeugen des Krieges, verloren gegangenen Vertrauens beizutragen. Außerdem möchte ich dazu beitragen, neue Gelegenheiten für Begegnung und Dialog zu schaffen, insbesondere im kulturellen Bereich.
Welche Bedeutung hatte/hat Ihrer Meinung nach die Gründung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds?
Die Gründung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds hatte eine ganz essentielle Bedeutung. Der Fonds ist zu einer Brücke geworden, über die man viel leichter auf die andere Seite gelangen und mit ähnlich eingestellten Menschen zusammenarbeiten kann. Zusammenarbeit, Austausch, Dialog – das alles ist grundlegend für den Aufbau einer guten Nachbarschaft, und ich glaube, dank des DTZF sind unsere nachbarschaftlichen Beziehungen heute besser als jemals zuvor in der Geschichte.
Was ist aus Ihrer Sicht das größte Verdienst des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds?
Vertrauen in die Träume und Fähigkeiten junger Menschen, denen er oft die helfende Hand reicht und in bedeutendem Maße beim Aufbau einer internationalen Zusammenarbeit hilft. Und natürlich auch, dass er allen, die sich für die nachbarschaftlichen Beziehungen interessieren, eine Plattform für Begegnung und Dialog bietet.
Was würden Sie sich für die Zukunft der deutsch-tschechischen Beziehungen wünschen?
Dass sie so gut gedeihen wie bisher und dass die Zahl jener wächst, die Interesse haben, hinter die Grenzen ihres Landes zu schauen und zu versuchen, sich gegenseitig zu verstehen. So werden wir im gemeinsamen Europa zweifelsohne besser zusammenleben.