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Waschen, schneiden, föhnen! Einladung zu einer ungewöhnlichen Stylingshow

Hier oder dort, vor der Grenze oder dahinter. Deutsche und Tschechen verbindet im heutigen Europa eine ganze Reihe von Themen. „In der Luft“ liegen alte Fragen wie neue Herausforderungen und Lösungen. Der Blog von Zuzana Lizcová bringt interessante Momentaufnahmen des aktuellen Geschehens der letzten Wochen und Eindrücke von Treffen mit verschiedenen Menschen.  

17.5.2018

Donnertag zur Mittagszeit. In der Cafeteria der Technischen Bibliothek in Dejvice setzt sich Petr Mikšíček auf einen der noch freien Designerstühle. Mit seinem großen Rucksack, den Wanderschuhen und den schmutzigen Hosen passt er nicht so recht zu den perfekt aufgestylten Studentinnen, die an ihren glutenfreien Kuchen herumknabbern. Unmittelbar darauf gibt er zu sich auch so zu fühlen. Ein Prager, der dem Zauber des Erzgebirges verfallen ist. Ein eigenartiger Urlauber, der an den Wochenenden in die Metropole fährt. Gerade ist er von einem Dreh in alten Gebirgsschächten zurückgekommen. Daher also der Dreck.

Die Spaltung von Stadt und ländlicher Region, die bei den letzten Wahlen recht klar sichtbar wurde, beschäftigt den selbstständigen Filmemacher, Fotografen und Schriftsteller in der letzten Zeit sehr. Er lebt selbst in diesem Zwiespalt und überträgt ihn auf seine Arbeit. Und es soll eines der Themen sein, welches Anfang Juni in seinem Friseursalon erörtert werden soll. Ja, Sie haben richtig gelesen. In einem Friseursalon unmittelbar im Prager Zentrum.

„Friseure sind wie Beichtstühle, das funktioniert seit Jahrhunderten so und wird auch weiterhin so funktionieren,“ sagt Petr Mikšíček. Gerade dieser Gedanke hat ihn dazu gebracht, vor ein paar Jahren mit Kollegen einen reisenden Friseursalon zu eröffnen, in dem die Menschen für einen Haarschnitt nicht mit Geld, sondern mit ihren Geschichten zahlen, die mit der Kamera aufgezeichnet werden. Die ganze Angelegenheit wurde zuerst an einem Teich in Cínovec ausprobiert, danach bei einem Festival in Königsmühle. Über das Leben im Grenzraum haben sie auf diese Weise interessantere Erkenntnisse sammeln können als über irgendeinen beliebigen Fragebogen. Und einige Menschen haben so auch wirklich spannende Schicksale mit ihnen geteilt. „Die Leute fangen an zu erzählen und ich habe oft das Gefühl, dass die Haarschnitte letztendlich etwas zu schnell fertig sind,“ bedauert Petr Mikšíček.

Außer den Geschichten über die Beziehungen zwischen Deutschen und Tschechen, die Arbeit und das Leben im Erzgebirge blieb ihm zum Beispiel auch das etwas mystische Erlebnis des russischen Malers Alexej im Kopf, der nach seiner Leukämieerkrankung nach Tschechien gekommen ist: „Er ist bis nach Teplice, bis ins Erzgebirgsvorland gekommen, hat festgestellt, dass es dort gesundheitsfördernde Quellen gibt und hat dann da weitergemalt. Er hat uns erzählt, dass er damit allerdings vor einigen Jahren aufgehört hat, weil alles, was er malte, kurz darauf so passiert ist. Er malte eine abgetrennte Hand und einen Monat später hat er sich mit einer Motorsäge in die Hand geschnitten. Danach malte er eine auslaufende Flasche neben einem Totenkopf inmitten eines Waldes und eine Woche später begann die Prohibition, die Methanol-Affäre, bei der Menschen ums Leben gekommen sind. Dann hat er begonnen sich davor zu fürchten, dass das, was er zeichnet tatsächlich so geschieht,“ erzählt Mikšíček. „Alexej meinte, dass er jetzt nur noch Akte malt, davor hat er keine Angst,“ ergänzt er lachend.

Die Haarschnitte können die Kunden bei der professionellen Friseuse Klára Jindrová aus Kláštěrec nad Ohří aus einem vorbereiteten Katalog auswählen. In Cínovec konnten sie sich beispielsweise ein Styling mit dem Namen „Grenzstreifen“ (ein ausrasierter Streifen in der Kopfmitte, passend vor allem für Herren), eine Föhnfrisur (die auf den stürmischen Wind hinweist, der auf den Gipfeln des Erzgebirges bläst) oder eine sorgfältig glatt gekämmte Frisur à la „Der Pate“ aus den örtlichen Casinos aussuchen. Für Prag plant Petr Mikšíček Haarschnitte, die von deutsch-tschechischen Stereotypen und durch die Geschichte inspiriert sind (beispielsweise ein Styling für die Vertreibung), aber vielleicht auch Schnitte im Stil eines Bauern vom Dorf und eines städtischen Seladons. Die Hauptsache ist, dass der Kunde zu den vorgegebenen Auswahlmöglichkeiten etwas zu sagen hat.

Das Ganze ist ein Spiel wie Schach. Man stellt ein Art Friseurmenu zusammen, in dem es zehn bis fünfzehn Felder gibt und jedes dieser Felder steht für ein gewisses Thema. Mit einer gut durchdachten Auswahl legen wir bereits im Voraus fest, welche Themen wir abdecken wollen,“ erklärt Mikšíček. Die Geschichten sind wichtig für ihn, er unterschätzt die visuelle Seite der Angelegenheit aber keinesfalls: „Die ästhetische Komponente spielt eine große Rolle. Die Haarschnitte sind wirklich ansprechend und auffallend stylisch. Unsere Erfahrung zeigt uns, dass besonders die Damen traurig sind, dass sie ihre Frisuren später wieder „einreißen“ müssen. Vor der Kamera zeigen sie sich gern, sich möchten gefilmt werden und drängen uns, ihnen Fotos zu schicken. Sie sind überrascht, was für eine gute Friseuse Klára ist,“ fügt er ersichtlich stolz hinzu.

Wer seine Geschichte gern gegen einen neuen, originellen Look eintauschen möchte, hat am Samstag, den 2. Juni bei der Feier zum 20-jährigen Jubiläum des Zukunftsfonds dazu die einmalige Gelegenheit. „Wer Lust hat, sich ein wenig zu unterhalten und sich dabei einen neuen Haarschnitt verpassen lassen möchte, sollte unbedingt vorbeikommen,“ lädt Petr Mikšíček ein. „Den Haarschnitt kann er anderen zeigen und die können raten, was das Besondere an ihm ist und zu welchem Anlass er passt. Wir werden gut ausgestattet sein, viele Blumen als Haarschmuck dabeihaben und andere Naturmaterialien, mit denen sich die Frisuren verschönern lassen,“ verspricht er. Wie es scheint, können sich (nicht nur) die Prager auf extravagante Stylings freuen. An die Scheren, fertig, los! 


Zuzana Lizcová ist Journalistin und Analytikerin. Sie sammelt interessante Geschichten, schreibt und hält Vorträge über internationale Politik. Ein besonders enges Verhältnis hat sie zu Deutschland und Österreich. Sie hat Spaß an neuen Projekten und an Menschen, die anderen etwas zu sagen haben.