David Zábranský
Worin besteht Ihre persönliche Motivation, sich für die deutsch-tschechischen Beziehungen zu engagieren?
Ich bin zu gleichen Teilen Tscheche und Europäer. Gerade lese ich Jacob Burckhardt, einen Schweizer Historiker, der bei Leopold von Ranke in Berlin studiert hat und dessen berühmteste Arbeit sich mit der Renaissancekultur in Italien beschäftigt. All dies ist auch meine Welt. Die italienische Renaissance ist dabei keine ferne Vergangenheit. „Deutsche“ und „Tschechen“ verband damals, dass sie an der kulturellen Peripherie lebten. Seither hat sich nördlich der Alpen vieles verändert. Deutschland ist mittlerweile europäisches Zentrum, Tschechien weiterhin europäische Peripherie. Wichtig ist jedoch, sich jenen weiter gesteckten Horizont bewusst zu machen, die Tatsache, dass die europäische Geschichte nicht mit dem Jahr 1939 oder 1945 beginnt. Zentren verlagern sich ständig, man muss gut aufpassen, was wo passiert. Die europäische Geschichte ist in hohem Maße eine Geschichte des Zuhörens, des Kopierens, der Inspiration. Wenn den einen die Energie ausgeht, treten andere an ihre Stelle. Wir leben hier seit Jahrhunderten zusammen: Italiener, Schweizer, Tschechen, Deutsche, Polen, Ungarn… Wir bringen unser Talent in Europa ein, wir formen die Geschichte und gleichzeitig warten wir, was sie uns bringen mag. Sich nicht für die deutsch-tschechischen Beziehungen zu engagieren, geht einfach nicht. Wir sind hier. Eine kürzere Antwort kenne ich nicht.
Welche Bedeutung hatte/hat Ihrer Meinung nach die Gründung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds?
Besonders in der breiteren Öffentlichkeit konnte er das Bewusstsein über die grundlegende Verbesserung der Beziehungen zwischen Deutschen und Tschechen stärken. Es ist der Versuch eines neuen und besseren Anfangs. Ja – eines Anfangs, denn betrachtet man unsere gemeinsame Geschichte aus der Vogelperspektive, so sieht man keinen Wechsel zwischen besseren und schlechteren Beziehungen, sondern nur eine mal stärkere, mal schwächere Zwietracht. Jetzt haben wir unter anderem dank der gemeinsamen Mitgliedschaft in der EU erstmals Gelegenheit, einander verstehen zu lernen, was natürlich auf beiden Seiten eine gewisse Demut voraussetzt.
Was ist aus Ihrer Sicht das größte Verdienst des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds?
Dass er betont hat, dass wir für eine gemeinsame Zukunft noch einmal gemeinsam unsere Konflikte des 19. Jahrhunderts durchgehen müssen. Das sind Quanten von Schmutz, der abermals Stück für Stück in die Hände genommen werden musste, damit es irgendwann besser wird. Das setzt die Bereitschaft voraus, darin herumzuwühlen – eine Bereitschaft, die, nüchtern betrachtet, schlichtweg eine Notwendigkeit war.
Was würden Sie sich für die Zukunft der deutsch-tschechischen Beziehungen wünschen?
Vielleicht eben diese Fähigkeit, die Dinge in einem weiteren zeitlichen Horizont zu betrachten – vom antiken Griechenland über die italienische Renaissance bis hin zum Brexit. Dann sehen wir die Vergänglichkeit, die uns lehren kann, demütig zu sein. Den Tschechen würde ich wünschen, mit mehr Selbstsicherheit und Authentizität zu sprechen, den Deutschen wiederum mehr Bereitschaft, mit aufrichtigem Interesse zuzuhören.