Carsten Enders
Worin besteht Ihre persönliche Motivation, sich für die deutsch-tschechischen Beziehungen zu engagieren?
Ich habe mich als junger Mensch in der kirchlichen Jugendarbeit der DDR in den Jahren 1988/89 intensiv mit der Charta 77 beschäftigt. Der Mut der damals Aktiven hat mich sehr beeindruckt. Die bemerkenswerten Bücher von Vaclav Havel, Pavel Kohout, Ludvik Vaculik, Bohumil Hrabal und Eva Kantůrková, aber auch von Karel Čapek und Jaroslav Hašek haben mich bereits früh begleitet. Mittlerweile bin ich viel von Dresden aus in Tschechien unterwegs mit dem Fahrrad, auf der Elbe paddelnd, auf dem Erzgebirgskamm, in der Böhmischen Schweiz oder durch das Böhmische Mittelgebirge wandernd. Gern und am liebsten zusammen mit tschechischen Freunden.
Welche Bedeutung hatte bzw. hat Ihrer Meinung nach die Gründung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds?
Mit der Gründung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds haben beide Staaten Verantwortung für eine lebendige am jeweils Anderen interessierte Nachbarschaft übernommen und die bereits existierenden bilateralen Verträge wie den Deutsch-Tschechoslowakischen Vertrag über gute Nachbarschaft von 1992 und die Deutsch-Tschechische Erklärung von 1997 mit Leben gefüllt. Die Gründung des Fonds war visionär, weitsichtig und eine kluge Entscheidung, die sich ausgezahlt hat.
Was ist in Ihren Augen das größte Verdienst des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds?
Die Entschädigung tschechischer Opfer des Nationalsozialismus war überfällig und nur dank der Koordinierung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds möglich. Darüber hinaus schätze ich an der Arbeit des Fonds, dass im Lauf der Zeit tausende ganz konkrete kleinere Projekte gefördert wurden, bei denen sich zehntausende Menschen beider Nationen vorurteilsfrei und themenbezogen austauschen und begegnen konnten. Viele bleibende Kontakte und Freundschaften sind dank der Arbeit des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds entstanden. Das wird bleiben. Dafür Tausend Dank.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der deutsch-tschechischen Beziehungen?
Ich wünsche mir noch deutlich mehr Austausch im Alltag auf allen Ebenen. Es ist eine Binsenweisheit, aber sie ist wahr: Nur wer sich persönlich kennenlernt, kann Vorurteile überwinden und Interesse am Anderen entwickeln. Es ist daher sehr bedauerlich, dass die Brücke/Most-Stiftung kürzlich in Dresden ihre Arbeit einstellen musste, da die öffentliche Hand nicht bereit war, das bisherige private Engagement zu unterstützen. Ich wünsche mir, dass noch mehr junge Menschen die Sprache des jeweils Anderen lernen.