20 let – 20 osobností

Christian Schmidt

Worin besteht Ihre persönliche Motivation, sich für die deutsch-tschechischen Beziehungen zu engagieren?

Meine persönliche Motivation ergibt sich aus meinem politischen Wirken, insbesondere durch meine Wahl zum Mitglied des Deutschen Bundestages im Jahr 1990. Andererseits ergibt sie sich auch durch meine persönlichen Erfahrungen und Kontakte in meiner fränkischen Heimat und in Tschechien. In Franken haben sehr viele sudetendeutsche Heimatvertriebene ihre neue Heimat gefunden. Des Weiteren ist in meiner Nachbarschaft, im Schloss Schwarzenberg in Scheinfeld ein Platz für tschechische Dissidenten gewesen. Fürst Karl Schwarzenberg, Mitglieder der Charta 77 und natürlich auch Václav Havel, waren diejenigen, die für freiheitsliebende Tschechen gegen die Unterdrückung des Kommunismus und der Diktatur gearbeitet haben, auch und gerade in Franken.

In meinen politischen Ämtern hatte ich sehr früh mit Ost- und Mitteleuropa zu tun. Bereits 1991 wurde ich Vorsitzender des Arbeitskreises Auswärtiges, Verteidigung, Europa der CSU-Landesgruppe und war somit gleich mit außenpolitischen Themen befasst. Als zuständiger Berichterstatter für osteuropäische Regionen und Themen entwickelte sich bald ein intensives Interesse für osteuropäische Länder.

Diesbezüglich haben mich auch meine Begegnungen und Aufgaben bei der Berichterstattung für den Deutsch-Tschechoslowakischen Nachbarschaftsvertrag von 1992 sehr geprägt.

Aber auch der politische Kontext, die Umbrüche und Transformationsprozesse postsowjetischer

Staaten in junge Demokratien waren Anfang der 1990er beim politischen Diskurs prägend und haben nachhaltig auf mich gewirkt. Als Politiker, dessen bayerische Heimat an einer dieser „neuen“ Staaten grenzt, war es mir ein wichtiges Anliegen, auch selbst zu diesen Themen beizutragen.

Auf der persönlichen Ebene haben meine Begegnungen z.B. mit Franz Neubauer, Johann Böhm und vielen Sudetendeutschen einerseits und Felix Kolmer, Jiří Gruša (Stichwort: Böhmische Dörfer) oder auch Milan Horáček andererseits einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Mir wurde dadurch nochmals vor Augen geführt, wie sehr ein Großteil der tschechischen Bevölkerung und der Sudetendeutschen nach einer Versöhnung strebte und dass politischer Fortschritt das Engagement jedes Einzelnen braucht. Mir war klar, dass auch ich meinen Teil dazu beitragen wollte und sollte.

Welche Bedeutung hatte bzw. hat Ihrer Meinung nach die Gründung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds?

Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds stellte die Beziehungen beider Länder zu einem besonderen historischen Moment auf eine ganz neue Grundlage. Statt übereinander reden wurde miteinander reden das Gebot der Zukunft. Mit seiner heutigen primären Aufgabe der Finanzierung von deutsch-tschechischen Projekten wurde eine langfristige Basis gelegt, um den unterschiedlichsten Formaten

und Aktivitäten einen strukturierten Rahmen zu geben und vor allem finanzielle Sicherheit zu gewährleisten. Als Beispiele seien genannt die Jugendbegegnungen, die Pflege und Renovierung von Baudenkmälern, verschiedene deutsch-tschechische Gesprächsforen, gemeinsame wissenschaftliche und ökologische Projekte oder auch der Sprachunterricht und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

Gemeinsam mit dem Deutsch-Tschechischen Gesprächsforum hat der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds Räume wertgebundener und konstruktiver Begegnung geschaffen, die gefehlt hatten.

Ein Ergebnis des jahrzehntelangen Wirkens des Gesprächsforums ist jetzt auch der Strategische Dialog, der durch verschiedene Arbeitsgruppen in so verschiedenen Bereichen wie Außen- und Europapolitik, aber auch Arbeitsmarkt und duale Ausbildung, die deutsch-tschechische Zusammenarbeit enger zusammenbindet.

Was ist in Ihren Augen das größte Verdienst des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds?

Eines der anfänglichen Anliegen und auch Ziele des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds war die Entschädigung der tschechischen NS-Opfer. Diese Thematik stand vor vielen Herausforderungen, darunter die Einstufung der Opferkategorien. Es gab Zwangsarbeiter in Deutschland, aber eben auch Zwangsarbeiter, die auf dem Gebiet des damaligen Protektorats Böhmen und Mähren in verschiedenen Haftstätten betroffen waren.

Wir wollten allen Betroffenen einen Ausgleich geben, also sowohl den tschechischen Zwangsarbeitern, den sudetendeutschen Zwangsarbeitern als auch denen, die ihrer Rechte und Würde beraubt in Theresienstadt gefangen waren und dann in Auschwitz gerade noch mit dem Leben davonkamen und denen, die aus ihrer Heimat hinausgetrieben wurden. Dabei gelang es, die Frage, was für was die Ursache war, nicht schematisch auf das individuelle Schicksal zu projizieren. Leider ist die Entschädigung der sudetendeutschen Opfer nicht so umgesetzt worden, wie wir es uns ursprünglich vorgestellt hatten.

Die Einladung von Václav Havel zur Rückkehr in die Heimat war eine politische Entkräftung der unversöhnlichen Doktrin von Edvard Benes. Auf gewisse Weise war ein Kristallisationspunkt dieser neuen Ausrichtung der Versöhnung die Erweiterung des Friedhofs in Eger/Cheb, wo viele deutsche Opfer der schlimmen Zeiten eine würdige Ruhestätte fanden. Dass dies mit Abordnungen von sudetendeutschen Heimatkreisen und des Wachbataillons der Bundeswehr gemeinsam mit tschechischen Bürgerinnen und Bürgern und staatlichen Verantwortlichen möglich war, zeigte mehr als vieles andere die Veränderung.

Der engagierte Einsatz von Partnern und Partnerorganisationen, darunter Opferverbände, private Unterstützer, Wirtschaftsunternehmen, aber auch die Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, konnte das Dialogfenster stets offen halten. Unter Beteiligung aller Akteure wurde ein substantieller Abschluss der Verhandlungen hinsichtlich der Entschädigung von NS-Opfern erreicht. Für mich waren die Beteiligung an diesen Gesprächen und mein bescheidener Beitrag dazu

prägend.

Der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds wurde beauftragt, die Zahlungen an die Opfer von Zwangsarbeit vorzunehmen. Somit war der Fonds direkt mit der Aufarbeitung eines der schwierigsten Kapitel der gemeinsamen Geschichte betraut.

Für die sudetendeutschen Vertriebenen und Zwangsarbeiter konnten wenigstens symbolische Zeichen der Anerkennung ihres Leids gefunden werden. Und es bestand die Chance, zweimal Betroffenen eine Genugtuung zukommen zu lassen: Tschechische Juden, die Hitler ins KZ geworfen hatte und die wenige Jahre später als freiheitsliebende Bürger vom tschechischen Kommunisten Gottwald ins NKWD-Lager gesteckt wurden. Dies konnte im Gesprächsforum (eine seiner Arbeitsgruppe heißt „Dialog ohne Tabus“) genauso thematisiert werden wie das Leid von Postelberg, wo unschuldige Sudetendeutsche ermordet worden waren.

Mit dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds wurde damit eine Institution geschaffen, die die historische Verantwortlichkeit beider Länder thematisieren konnte und die gleichzeitig mit ihren Themen einer gemeinsamen Zukunft den Weg ebnen konnte.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der deutsch-tschechischen Beziehungen?

Für die Zukunft der deutsch-tschechischen Beziehungen hoffe ich auf ein Miteinander auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen, welches ein geeintes Europa als hervorgehobenes Ziel für die Zukunftsfähigkeit unserer beiden Nationen im Blick hat sowie auf einen fortwährenden Bürgerdialog zwischen Deutschen und Tschechen. Beide Länder haben eine Schlüsselstellung in der

Gestaltung einer selbstbewussten, gemeinsamen mitteleuropäischen Zukunftsperspektive.